Linoleum

Stephy

Der Gang mit den vielen Türen war leer. Das konnte man schon durch die mit Milchglas verkleideten Schwingtüren sehen. Der Gedanke, die Tür aufzudrücken lies mich schaudern. Ich hatte Angst, obwohl ich genau wusste, was mich erwarten würde. Wie oft war ich diesen Gang schon entlang gegangen? Einfach tief durchatmen und los!, sagte ich mir in Gedanken. Dann presste ich meine Schulter gegen das Glas. Ich hatte diese Türen noch nie mit den Händen anfassen können. Das kalte Metall und der brüchige Lack, der das Holz bedeckte, waren mir zuwider. Aber nichts, absolut nichts, war so schlimm, wie das Linoleum. Das grüne Linoleum, das im Dämmerlicht des Flures aussah, wie ein morastiger Sumpf. Das den Gang in die Länge zog wie ein Gummiband, das nicht mehr zurück schnappte.

Ich schluckte. Dort hinten, ganz am Ende des sumpfigen dämmerigen Ganges war mein Ziel. Eine schlichte braune Holztür, deren obere Hälfte mit diesem schrecklichen Milchglas ausgefüllt war. Als wolle man alles außerhalb halten, was dort nicht hingehörte, dachte ich mir. Dann setzte ich einen Fuß auf das Linoleum. Mitten hinein in den Sumpf. Ich presste die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und zwang mich, meinen Blick auf die Tür gerichtet zu halten. Immer nur auf die Tür gucken. Nicht auf die winzigen schmalen Fenster, nicht auf die vielen Türen, an denen ich vorbei ging, nicht auf das Linoleum, das sich nun, da ich mitten darauf stand, von einem Sumpf in etwas anderes verwandelte. Ich wollte nicht wissen, was es war, aber es hatte die Farbe von Erbrochenem. Es roch nach Reinungungsmittel und Bohnerwachs. Erbrochenes auf Hochglanz poliert. Schritt für Schritt tastete ich mich voran. Es war, als würde man im Dunkeln eine Treppe hochsteigen, die plötzlich endete und man steht panisch am Treppenabsatz und tastet nach der nächsten Stufe, die aber nicht da ist. Man fällt.

Ich spürte, wie mein Herz anfing zu rasen. Nur nicht nach unten gucken, nur nicht nach unten gucken. Du bist fast da, machte ich mir Mut. Noch wenige Schritte. Tap, tap, ein kurzes Stolpern. Dann, endlich, hatte ich es geschaft. Vor mir lag die Tür mit dem Milchglas. Unter dem Milchglas war ein in Gold gerahmtes Schild. „Rektor“

Noch einmal sammelte ich all meinen Mut und klopfte.