Stephy
Orientierungslos strich ich durch den Wald. Es war dunkel um mich herum, ständig lief ich gegen Bäume und Büsche. Ich war ziemlich verwirrt. Wie zur Hölle war ich in diesen vermaledeiten Wald gekommen? Die Antwort dazu konnte ich mir natürlich denken. Ich war wiedermal geschlafwandelt. Aber von einer Hochhauswohnung in der Großstadt in einen Wald zu kommen, ohne etwas zu bemerken, war selbst für mich eine Leistung. Fluchend lief ich weiter, die Hände dabei weit vor mich gestreckt, um nicht noch einmal die Rinde eines Baumes küssen zu müssen. So erotisch waren Bäume nun auch wieder nicht. Immer noch vor mich hin fluchend stolperte ich weiter. Meine nackten Füße konnte ich leider nicht vor den Ästen, Blättern, Unkraut und was weiß ich, was sich sonst noch so auf dem Waldboden befand, schützen. Dementsprechend hatte ich das Gefühl, das ich statt meinen Füßen nur noch schmerzende Klötze den den Enden meiner Beine hatte, als ich nach Ewigkeiten, es dämmerte langsam, auf eine Lichtung stolperte. Mit einem glücklichen Seufzen, ich konnte 1) wieder etwas sehen und musste 2) keine Angst mehr vor Bäumen haben, ließ ich mich in das weiche Gras fallen. Ich weiß heute nicht mehr, wann ich eingeschlafen war, doch ich wurde schließlich von einem vorsichtigen Stupser an meiner Wange und leisem Schnaufen geweckt. Zugegeben, ich hatte im ersten Moment wirklich Angst, das ein Bär oder ähnliches neben mir saß und mich jeden Moment fressen wollte. Was ich jedoch dann sah, als ich langsam ein Auge einen Spalt breit öffnete, ließ mich erschrocken schreiend hochfahren. Das kleine Wesen neben mir zuckte genau so erschrocken zurück und sah mich mit verletztem Blick an. Moment! Verletzt? Schockiert sah ich das Tier?, ich wusste es nicht ganz, an. Mein Verstand weigerte sich auch zu begreifen, was da vor mir saß. Allerdings ließen weder die lila glänzenden Schuppen noch die kleinen, offensichtlich noch nicht ganz ausgebildeten Flügel oder die scharfen Zähnchen, die aus dem kleinen Maul herausragten irgendwelche Zweifel zu. Vor mir saß doch tatsächlich ein kleiner Drache! Nachdem sowohl der kleine als auch ich den ersten Schrecken überwunden hatten, hockte ich mich langsam hin und musterte ihn genau so aufmerksam wie er mich.
Vorsichtig kam er dann schließlich wieder näher und legte den Kopf schief. Beinahe genau so vorsichtig streckte ich meine linke, wenn ich gebissen wurde, wollte ich wenigstens noch schreiben können, Hand aus und ließ den Kleinen daran schnuppern. Danach streichelte ich ihm sanft mit zwei Fingern über die Schuppige Stirn. Zu meiner Überraschung schnurrte der Kleine freudig, dann drehte er sich um, tappte ein paar Schritte weg, blieb stehen und quiekte auffordernd. Nach ein paar Sekunden verstand ich schließlich, was er von mir wollte und lief ihm hinterher. Der kleine Drache führte mich zu einer weiteren Lichtung ganz in der Nähe, wo er sich dann neben eine Eierschale legte. Eine riesige Eierschale. Eine Eierschale, in die ein kleiner Drache passen würde. Dann machte es klick bei mir.
„Oh, verdammt. Du glaubst doch nicht etwa, das ich deine Mama bin?“ entfuhr es mir dann. Der Kleine quiekte nochmal, kam wieder auf mich zu und streifte mir um die Beine.
„Aber ich kann doch nicht…“
Ein flehender Blick aus veilchenblauen Augen. Ein leises Schnurren. Verdammt!
„Oh man, na super. Okay, Kleiner, dann lassen wir uns halt was einfallen. Dem Blick kann ich wirklich nicht widerstehen. Und hey, wer sonst kann sich sonst Drachenmama nennen?“
Tja, und so wurde ich also Drachenmama. Ich hab wirklich noch keine Ahnung, wie es mit meinem Baby weitergehen soll, aber gut. Das bekommen wir schon irgendwie hin.